Chancen Nutzen: Anforderungen an die notwendige Weiterentwicklung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG)

Präambel

Das BAföG ist ein Mittel zur Verwirklichung von Chancengleichheit. In Zeiten eines hoch sozial selektiven Bildungssystems ist es notwendig mit starker Stimme für ein bedarfsdeckendes, elternunabhängiges und solidarisch (re-)finanziertes BAföG zu kämpfen. Der fzs bekräftigt aus aktuellem Anlass hiermit seine Forderungen nach Chancengleichheit im Bildungssystem von der KiTa über die Hochschule bis zur Weiterbildung.

Die Einführung des BAföG 1971 hatte die Steigerung der Bildungsbeteiligung – insbesondere auch von Studierenden aus Arbeiterhaushalten – zum Ziel. Zusammen mit der Abschaffung von Studiengebühren leistete das BAföG einen Beitrag zur Erhöhung der Bildungschancen großer Teile der Bevölkerung. Doch mit immer weiteren Einschränkungen, Einführung von Darlehnanteilen und der stetig hinter der Entwicklung von Preissteigerung und Einkommensentwicklung zurückbleibenden Anpassung der Fördersätze und Freibeträge sank die Gefördertenquote bis Ende der 1990er Jahre immer weiter. Erst mit der 20. und 21. Novellierung des BAföG und dem Ausbildungsförderungsreformgesetz 2001 wurden die Leistungen des BAföG und den Kreis der Anspruchberechtigten wieder ausgeweitet.

Dennoch bleibt das BAföG in seiner aktuellen Ausgestaltung weiterhin hinter dem Anspruch zurück, individuell eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung zu ermöglichen. Dies führt in Verbindung mit den Auswirkungen des stark sozial selektiv wirkenden dreigliedrigen Schulsystems zu einer extremen Unterrepräsentanz von Menschen mit niedriger sozialer Herkunft in der Hochschulbildung. Inzwischen wird in der bildungspolitischen Debatte mitunter das BAföG grundsätzlich zur Disposition gestellt: Die Studienfinanzierung könne im Zusammenhang mit der Wiedereinführung von Studiengebühren auf Bankdarlehen umgestellt werden. Diese Forderung lehnen wir entschieden ab.

Stattdessen ist es aus bildungs- und sozialpolitischen Gründen elementar wichtig das BAföG weiter zu entwickeln um hierdurch die Bildungsbeteiligung aller gesellschaftlichen Schichten allmählich zu erhöhen.

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Bedarfsdeckend mit automatischer, jährlicher Anpassung

Die letzte Anpassung der BAföG-Sätze an die gestiegenen Kosten erfolgte vor mehr als 6 Jahren. Dabei beträgt die derzeitige durchschnittliche Förderungshöhe 370 €, was als deutlich zu gering einzuschätzen ist. Denn dies ist jedoch bei weitem nicht ausreichend für die Finanzierung der Lebenshaltungskosten. Aus diesem Grund sind viele BAföG-EmpfängerInnen auf zusätzliche Erwerbsarbeit angewiesen. Dies ist als sozial-, gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Gründen mehr als fatal. In der Zwischenzeit hat es mehrere Preissteigerungen, Steuer- sowie Abgabenerhöhungen gegeben. Nimmt man alle Preissteigerungen zusammen und betrachtet die gleichgebliebenen Förderhöhen und Freibeträge so wird deutlich, dass das BAföG ist faktisch gekürzt worden ist. Die Preissteigerungen wurden somit von den Studierenden und deren Eltern getragen. Der fzs fordert daher eine sofortige Anpassung der Förderhöhen und Bedarfssätze an die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Um dem Ziel der Ausbildungsförderung gerecht zu werden gibt es daher aus Sicht des fzs zu einer ausreichend hohen individuellen Förderung keine überzeugende Alternative. Desweiteren fordert der fzs die gesetzliche Verankerung einer automatischen, jährlichen Anpassung des BAföG an die Entwicklung von Lebenshaltungskosten, Einkommensentwicklung und des Mietniveaus.

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Vollzuschuss

Der Abschreckungswirkung von Verschuldung für die Aufnahme und den Abschluss eines Studiums ist in jedem Fall durch die (Re-)Konzeption der Ausbildungsförderung als Vollzuschuss zu begegnen. Nur so kann gewährleistet werden, dass jede/r unabhängig vom finanziellen Hintergrund ein Studium aufnehmen kann, im Sinne des grundgesetzlich vorgesehenen Rechts auf freie Berufswahl.

Die Gruppe der Anspruchberechtigten ist auszuweiten! Das bedeutet vor allem, gebrochene Bildungsbiographien stärker in die Förderung einzubeziehen. Dazu ist ein elternunabhängiges BAföG zwingend notwendig. Angesichts der Tatsache, dass ein Bachelor Abschluss auf dem Arbeitsmarkt nicht anerkannt wird und sich der Übergang vom Bachelor in den Master als zusätzliche Selektionshürde darstellt, muss der Abschluss eines B.A.-Studiums auch zur Förderung eines M.A. Studienganges berechtigen, unabhängig vom Kriterium der Konsekutivität. Desweiteren muss das Höchstalter (30. Lebenjahre) für die Beantragung des BAföG für einen neuen Ausbildungsabschnitt gestrichen werden. Da der Master einen neuen Ausbildungsabschnitt darstellt droht auch die Anzahl der Gefördeten noch weiter zurück zu gehen.

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Herkunftsunabhängigkeit

Aus Sicht des fzs ist es Ziel, mittels der staatlichen Studienfinanzierung die Abkehr von der bestehenden Eltern- bzw. der Herkunftsabhängigkeit individueller Bildungswege und des Bildungserfolgs aktiv voranzutreiben um gleiche Bildungschancen zu schaffen. Sichtbares Zeichen hierfür ist, dass Studierende direkt gefördert werden und nicht wie bisher in der Regel deren Eltern.

Das Nebeneinander zweier vollkommen unterschiedlicher Fördersysteme über das Steuer-, Sozial(hilfe)-, Unterhalts- und das Ausbildungsförderungsrecht führt zu paradoxen Ergebnissen und ist zugunsten eines einheitlichen, elternunabhängigen Systems der Ausbildungsförderung aufzulösen. Herkunftsunabhängigkeit bedeutet für den fzs auch: Förderung unabhängig von der Nationalität und dem aufenthaltsrechtlichen Status der Studierenden.

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Studierende mit Kind

Die bisherigen Regelungen aus dem BAföG- und aus dem Sozialhilferecht stellen keine in irgendeiner Weise nur eine unzureichende Lösung der Finanzierungsprobleme von Studierenden mit Kind da. Die Folgen sind unzumutbare Studienbedingungen, hohe Studienabbruchquoten und Armut bei Kindern und Minderjährigen. Der fzs fordert deswegen, dass Kindererziehung während des Studiums einen eigenständigen Anspruch begründet, der alle zusätzlichen Risiken voll umfänglich abdeckt. Hierzu gehört der Rechtsanspruch auf einen hochschulnahen, gebührenfreien Kinderbetreuungsplatz mit flexiblen Betreuungszeiten ebenso wie angemessene finanzielle Unterstützungsleistungen und auf organisatorische – strukturelle Hilfeleistungen (u.a. Bearbeitungszeiten) und Vorkehrungen.

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Das BAföG an die Studienrealität anpassen!

In der Übergangszeit bis zur Umsetzung eines elternunabhängigen, bedarfsdeckenden, solidarisch (re-)finanzierten Studienfinanzierung, die als Vollzuschuss konzipiert werden muss, ist es erforderlich die Rückzahlungsmodaliäten für Darlehensanteile realistisch zu gestalten. So sind die Möglichkeiten für Stundung, Erlasse und Minderung großzügig zu gewähren. Der Freibetrag vom persönlichen Vermögen ist auf mindestens 15.000 (DSW) Euro zu erhöhen.

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Individuelle Studiendauer berücksichtigen

Ein wichtiger Aspekt bei der Planung und Durchführung eines Studiums ist die Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit der individuellen Studienfinanzierungsmöglichkeit. Wenn die Ausbildungsförderung an die Realitäten der Studierenden angepasst werden soll, so muss auch die Dauer der Gewährung diesem Anspruch genügen. Die derzeitigen Regelungen tun dies jedoch nicht. Eine einfache Möglichkeit hierzu wäre unter Zugrundelegung der 1,5 fachen durchschnittlichen Regelstudiendauer einen Gesamt-Förder-Ausgleich zu berechnen, welcher auch über längere Studienzeiten hinweg flexibel in Anspruch genommen werden kann.

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BAföG im Ausland

Der fzs verurteilt die Neuregelung beim Auslands-BAföG. Die neue Praxis

  • die Auslandskrankenversicherung und die Reisekosten nicht mehr als Vollzuschuss zu gewähren,
  • Studiengebühren im Ausland lediglich über Bankdarlehen abzusichern und hinter Verschuldungsgrenzen zurückzufallen,

läuft unserem Ziel der gleichen und solidarisch finanzierten Bildungsbeteiligung entgegen. In Zeiten in denen ein Auslandsaufenthalt einen zentralen Stellenwert einnimmt, gilt es die Mitnahmemöglichkeiten ins Ausland aus- statt abzubauen.

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Datenabgleich

Ein Generalverdacht über Menschen zu legen, die soziale Leistungen empfangen ist nicht hinnehmbar. Es darf nicht zu einer Umdeutung des Rechts auf Empfang einer Leistung hin zu einem Privileg kommen. Desshalb fordern wir, dass die zuständigen SachbearbeiterInnen lediglich mit den Daten arbeiten dürfen, die sie unbedingt für eine schnelle Bearbeitung der BAföG-Anträge benötigen. Nach der Umsetzung des elternunabhängigen BAföGs ist ein Datenabgleich ohnehin nicht mehr notwendig und darf daher auch nicht mehr praktiziert werden.

Beschlossen auf der 31. vertagten Mitgliederversammlung vom 17.-19. März 2007 in Berlin.

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