Aus der Pandemie lernen, jetzt Politik ändern

Auch die Hochschulen sind seit März 2020 massiv von der Corona-Pandemie betroffen. Anders als viele Schulen sind die meisten Hochschulen seitdem durchgehend in fast vollständiger Onlinelehre. Für Studium und Lehre hat das verschiedenste Auswirkungen.

Entscheidungsfindung

Es wird gerne über Studierende aber nicht mit ihnen gesprochen. Und obwohl Hochschulen und Politik seit Jahren mehr Beteiligung von Studierenden predigen, zeigt sich ein ganz anderer Trend. Denn während der gesamten Pandemie hat sich an Hochschulen eine Zentralisierung von Entscheidungen auf Präsidien, Rektorate und Dekanate gezeigt. Auch angesichts der bestehenden Demokratiedefizite in den Entscheidungsstrukturen fast aller Hochschulen, ist diese Entwicklung bedenklich. Existierende Gremienstrukturen dürfen nicht übergangen werden, sondern müssen durch die Hochschulleitungen dabei unterstützt werden, schwerfällige Prozesse zu beschleunigen, ohne dabei auf Austausch zu verzichten. Dabei sind auch die einzelnen Mitglieder der Gremien gefragt. Grundsätzlich muss gelten, dass Betroffene bei allen Entscheidungen angehört und berücksichtigt werden. Hastige Entscheidungen von Hochschulleitungen haben immer wieder dazu geführt, dass unpraktikable „Lösungen“ gefunden wurden, die später umständlich bereinigt werden mussten. Durch die Einbindung aller Betroffener lässt sich dieses Problem in Grenzen halten. Wir fordern eine Beteiligung aller Statusgruppen an den Pandemie-Taskforces, die viele Hochschulen eingerichtet haben. Studierende müssen dabei insbesondere in dei Entscheidungen über die Ausgestaltung von Lehr- und Prüfungsformen einbezogen werden.

Überbrückungshilfe

Schon vor der Pandemie war die Studienfinanzierung unzureichend. Durch den Wegfall von Jobs in Branchen wie der Gastronomie oder dem Kulturbetrieb befinden sich viele in einer finanziell prekären Lebenssituation. So waren zwei Drittel der Studierenden für die Finanzierung ihres Studiums auf einen Nebenjob angewiesen. Ein solcher Nebenerwerb ist auch deshalb notwendig, weil nur 11 % aller Studierenden BAföG beziehen. Die niedrige Förderungsquote hat ihren Ursprung unter anderem in den zu niedrig angesetzten Elternfreibeträgen. So fallen insbesondere Studierende aus den unteren mittleren Einkommensschichten aus der Förderung. In Zeiten der Pandemie rächt sich, dass die Bundesregierung die Augen vor der Notwendigkeit einer umfangreichen BAföG-Reform über Jahre hinweg verschlossen hat. Zwar wurde die Überbrückungshilfe für Studierende nach großem öffentlichem Druck von Studierendenvertreter*innen aufgelegt. Doch die Hilfen von maximal 500€ im Monat, sofern ein Kontostand von unter 100€ vorgewiesen werden kann, reichen bei weitem nicht zur Deckung von Lebenshaltungskosten aus. Zudem wurden knapp die Hälfte der Anträge auf Überbrückungshilfe abgelehnt, weil die Notlage der Studierenden schon vor der Pandemie bestand.

Der fzs fordert als Reaktion darauf weiterhin eine sofortige Öffnung der BaföG-Förderung für Nothilfen. Dazu muss schnellstmöglich ein entsprechendes Gesetz beschlossen werden. Hunderte Millionen unverausgabte BaföG-Mittel können so denen zugutekommen, für die sie bestimmt sind. Sollte die Weigerung der Bundesregierung und des Bundestags, eine entsprechende Regelung auf den Weg zu bringen, fortbestehen, muss die sogenannte Überbrückungshilfe angepasst werden. Im September 2020 hat das BMBF die Überbrückungshilfe eingestellt. Die erneute Öffnung hat bis in den Dezember gedauert, obwohl für November angekündigt. Eine derartige Situation darf sich nicht wiederholen. Es ist schon jetzt absehbar, dass im April noch viele der Einschränkungen notwendig sein könnten, außerdem werden viele Studierende unter den Folgen der monatelangen finanziellen Engpässe leiden. Das BMBF muss unmittelbar im Anschluss an die jetzigen Überbrückungshilfen ein Folgeprogramm für das Sommersemester auflegen. Dieses neue Programm muss als Maximalförderung mindestens die Höhe des BaföG-Höchstsatzes betragen. Außerdem muss die Vergabe vom Nachweis „pandemiebedingter“ Not entkoppelt werden. Ein Jahr nach Beginn der Pandemie ist erstens die Unterscheidung hier kaum möglich, zweitens muss auch anderen Studierenden geholfen werden. Studierende, die neben dem Studium in Selbstständigkeit arbeiten, dürfen nicht von der Hilfe ausgeschlossen werden, wenn sie sie benötigen. Entscheidend für den Anspruch muss der Studierendenstatus sein.

Neben der finanziellen Förderung müssen finanzielle Belastungen erleichtert werden. In vielen Bundesländern werden Studiengebühren für Zweitstudiengänge, „Langzeitstudierende“ und Nicht-EU Staatsbürger:innen erhoben. Besonders internationale Studierende ohne Arbeitserlaubnis, aber auch andere Betroffene, kommen durch die Gebühren in existenzielle Notlagen. Die Gebühren müssen deshalb für die Dauer der Pandemie erlassen werden, die bereits erhobenen Gebühren des Sommersemesters 2020 und des Wintersemesters 2020/21 müssen zurückerstattet werden. Von den Hochschulen erhobene Semestergebühren müssen bei Notlage der Studierenden erlassen werden, gleiches gilt für verpflichtende Semestertickets. Hier sind die Länder in der Pflicht, finanziell einzuspringen.

Sozialer Raum Hochschule und Mental Health

Die Hochschule ist ein sozialer Raum, der Diskurs geprägt ist. Durch die Pandemie sind Studiereden von diesem Austausch weitesgehend ausgeschlossen. Erst eine Öffnung der Hochschulen kann Teilhabe schaffen. Sobald eine langsame Öffnung der Hochschulen in Angriff genommen werden kann, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um alle Beteiligten so gut wie möglich zu schützen. Nur unter diesen Umständen können Präsenzveranstaltungen in Kleingruppen wieder stattfinden. Der Infektionsschutz steht dabei an erster Stelle. Insgesamt führen finanziellen Probleme, Einsamkeit und die Unklarheit über die kommende Prüfungsphase zu einer erhöhten psychischen Belastung der Studierenden. Sie kämpfen mit Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen, Zukunftsängsten und Folgen sozialer Isolation. Um Studierende in dieser schwierigen Zeit und darüber hinaus zu Unterstützen müssen die Sorgen seitens der Politik endlich ernst genommen werden. Es braucht mehr Geld für kostenlose psychosoziale Beratungen, um die Probleme abzufangen. Länder und Bund müssen den Träger:innen dieser Beratungsangebote mit Soforthilfen unter die Arme greifen. Davon betroffen sind insbesondere die Studierendenwerke, aber auch einzelne Hochschulen und Studierendenschaften. Wichtig ist, dass alle Träger:innen psychosozialer Beratungsangebote kurzfristig über Mittel verfügen, um ihr Angebot aufzustocken.

Beschlossen auf der 66. Mitgliederversammlung des fzs