Resolution

Daran hat der deutsche Spätkapitalismus und sein regierender Ausschuß nicht im Traum gedacht. Dazu war er, kurz gesagt, zu borniert, zu anachronistisch, zu stupide. Dafür hatte er, als er noch Geld hatte, kein Geld übrig. Dafür ist es inzwischen zu spät. Denn der gesellschaftliche und politische Lernprozeß, den die deutschen StudentInnen durchlaufen haben, ist nicht mehr reversibel.“ Hans Magnus Enzensberger, Kursbuch 13, 1968.

Zwar hat „der deutsche Spätkapitalismus und sein regierender Ausschuß“ zumindest in Sachen Public relations dazugelernt und versucht, durch heuchlerische Sympathiebekundungen die StudentInnenproteste totzuloben. Aber wenn die StudentInnen in Deutschland etwas dazugelernt haben, dann ist es, die PolitikerInnen an ihren Taten zu messen.

Die folgende Resolution soll zum einen die hochschulpolitischen Standpunkte des fzs verdeutlichen und zum anderen klar machen, warum wir uns mit billigen Lippenbekenntnissen der verantwortlichen PolitikerInnen auf keinen Fall zufrieden geben können.

Den Versuchen der PolitikerInnen, Gruppen dieser Gesellschaft gegeneinander auszuspielen, z.B. RentnerInnen gegen Arbeitlose, SozialhilfeempfängerInnen gegen StudentInnen etc., stellen wir uns vehement entgegen.

Bildung ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die es dem/der einzelnen ermöglichen soll, sich aktiv und verantwortungsbewußt an der Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen. Bildung dient der Analyse der gesellschaftlichen Situation und der Möglichkeiten ihrer Veränderung. Damit ist die Bildung eine Grundvoraussetzung für eine demokratische Gesellschaft.

1. Studiengebühren verbieten!

Studiengebühren sind in jeder Form sozial ungerecht und können keine der ihnen angedichteten positiven „Steuerungswirkungen“ im Bildungssystem erfüllen. Der fzs lehnt daher jede Form der Beteiligung der StudentInnen an der Finanzierung der Hochschulen kategorisch ab und fordert ein Verbot im Hochschulrahmengesetz. Die BRD hat sich im übrigen bereits 1966 mit der Unterzeichnung des „Pakts über wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte“ verpflichtet, das Menschenrecht auf Bildung durch die „Kostenfreiheit des Hochschulunterrichts“ zu verwirklichen.

Mit den bekannten Argumenten aus der Kiste der Betriebswirtschaftsideologie, die völlig an der Eigengesetzlichkeit des Bildungssystems vorbeigehen, versuchen die ArbeitgeberInnen, Teile der CDU und der Präsident einer virtuellen Hochschule in Thüringen (Glotz), dieses Grundrecht zu brechen. Bundesbildungsbankrotteur Rüttgers spricht sich zwar gegen Studiengebühren aus, aber mit Rücksicht auf Baden-Württemberg und Sachsen verzichtet er auf ein Verbot in seinem HRG-Entwurf. Die Hochschulrektorenkonferenz, die natürlich nicht die Hochschulen, sondern nur deren professorales Machtkartell repräsentiert, hält sich im Windschatten der neoliberalen Hardliner. Sie knüpft ihre Forderung nach Studiengebühren an die eigennützige Bedingung, daß die Einnahmen den Hochschulen zusätzlich zugute kommen und nicht durch eine Absenkung der Landeszuschüsse von den FinanzministerInnen kassiert werden. Außerdem bemänteln die HochschulrektorInnen den unsozialen Griff in die Taschen „ihrer“ StudentInnen mit der Forderung nach einer Reform der Studienfinanzierung. Diese Forderung ist weniger sozial als sie aussieht. Denn die HochschulrektorInnen wissen im Gegensatz zu großen Teilen der veröffentlichten Meinung, daß bei den meisten StudentInnen nichts zu holen wäre.

Die Haltung der SPD ist nicht weniger zweideutig. Partei und Bundestagsfraktion beteuern zwar immer wieder ihre Ablehnung von Studiengebühren, gleichzeitig versuchen die SPD-FinanzministerInnen in den Ländern, nur schwach getarnte Studiengebühren, sogenannte Immatrikulationsgebühren, einzuführen (Berlin, Bremen, Niedersachsen). Selbst im rot-grünen Hessen konnte die Einführung von Prüfungsgebühren für juristische Staatsexamen nur durch massiven Protest der StudentInnen verhindert werden.

Bei der Entscheidung über das neue HRG im Bundesrat wird sich zeigen, wo die Position der SPD zu Studiengebühren tatsächlich ist: Besteht die SPD auf ein Verbot von Studiengebühren oder betreibt sie mit verteilten Rollen zwischen Bund und Ländern Wahlkampf? Die Verabschiedung des HRG hängt an den Ländern Niedersachsen, Rheinlandpfalz, Brandenburg und Saarland, wo die SPD nicht durch die Grünen gebunden ist. Wir werden sie daran messen!

2. Hochschulen demokratisieren!

Ohne eine radikale Demokratisierung der Hochschulstrukturen sind alle Anstrengungen zur Hochschulreform wenig erfolgversprechend.

ArbeitgeberInnen, CDU und HRK wollen genau das Gegenteil: Auch in ihren Augen ist die ständische Organisationsstruktur der Hochschulen nicht mehr zeitgemäß. Zwar haben die nichtprofessoralen Hochschulmitglieder in diesen Strukturen kaum Einflußmöglichkeiten, aber gegen die ProfessorInnenschaft läßt sich dafür auch von DekanInnen und RektorInnen nichts durchsetzen. Deshalb sollen die akademischen Selbstverwaltungsgremien zugunsten der sogenannten „Leitungsfunktionen“ entmachtet werden. Um der Wirtschaft direkten Einfluß auf Lehre und Forschung zu geben, sollen sogenannte Hochschulräte nach dem Vorbild von Aufsichtsräten installiert werden. Die HochschulrektorInnen unterscheiden sich nur insoweit von der Standort Deutschland-CDU, als sie die Hochschulräte gerne mit KollegInnen aus der Scientific Comunity besetzen würden. Auch die Organisationsvorstellungen der SPD heben sich nicht großartig davon ab. In den Hochschulräten wünschen sich SozialdemokratInnen natürlich noch eineN GewerkschaftsvertreterIn und die starken Leitungspersonen werden mit einem Sonderprogramm zur Verbesserung der Lehre sozialpädagogisch flankiert (siehe Funktionalreform in NRW).

Als kleinster gemeinsamer Nenner der Großen HRG-Koalition ergibt sich daraus die Streichung aller Organisationsvorschriften im HRG. Diese blindwütige Deregulierung gewährleistet nicht einmal minimale Mitbestimmungsstandards.

Der fzs fordert eine Organisationsreform, die allen Hochschulmitgliedern eine gleichberechtigte Mitgestaltung ihrer Studien-, Arbeits- und Forschungsbedingungen ermöglicht. Dazu gehört:

  • Die Direktwahl der Hochschulleitung durch alle Hochschulmitglieder in allgemeiner, freier, gleicher und geheimer Wahl.
  • Grundsätzlich werden Entscheidungen (insbesondere Finanzfragen und die Grundordnung) mit Viertelparität getroffen.
  • Die ProfessorInnenmehrheit wird auf die vom Verfassungsgericht vorgeschrieben Fragen, die Forschung und Lehre unmittelbar betreffen, eingeschränkt.
  • Der ProfessorInnenüberhang wird von allen Hochschulmitgliedern gewählt („Berliner Modell“).
  • Frauen müssen mit einem Mindestanteil in den Selbstverwaltungsorganen der Hochschulen vertreten sein.
  • Die Habilitation und der Verbeamtung der ProfessorInnen wird abgeschafft, da die Habilitation eine pseudowissenschaftliche Selektionsmaßnahme darstellt und der BeamtInnenstatus eine ungerechtfertigte zusätzliche materielle Absicherung bedeutet.
  • Zur demokratischen gesellschaftlichen Kontrolle und Einbindung der Hochschulen werden Kuratorien eingerichtet, in denen neben Mitgliedern der Hochschule und der zuständigen Parlamente ExpertInnen von verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen vertreten sein sollen.
  • Entsprechende Vorschläge hat der fzs in seinem HRG-Entwurf gemacht.

Nur eine demokratische interne Verfassung der Hochschulen kann die Funktionsfähigkeit im Sinne aller Hochschulmitglieder sicherstellen. Und nur eine breite gesellschaftliche Einbindung kann den Hochschulen die Relevanz und Legitimation zurückgeben, die eine ausreichende Finanzierung erwarten läßt.

3. Hochschulfinanzierung sofort um jährlich 10 Mrd. aufstocken!

Die Hochschulfinanzierung muß auf ein eine völlig neue Grundlage gestellt werden.

Schon 1995 bezifferte die Hochschulrektorenkonferenz die jährliche Unterfinanzierung der Hochschulen mit sechs bis neun Milliarden DM. Seitdem sind im Bund wie in fast allen Ländern weitere Kürzungen erfolgt. Dies betrifft SPD-regierte Bundesländer wie Niedersachsen und Hamburg ebenso wie Bundesländer mit CDU-Regierung wie Baden-Württemberg oder Große Koalitionen wie Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Auch rot-grüne Regierungen sind nicht besser. Nicht umsonst ging die Streikbewegung von Hessen aus. Wenn konservative Zeitungen wie „Die Welt“ ebenso wie der zuständige SPD-Vize Thierse den Sparzwang als „Chance“ schönlügen, ist das schlicht zynisch.

Der fzs fordert die sofortige Aufstockung der Bildungsetats von Bund und Ländern um 20% oder jährlich 10 Mrd. DM zusätzlich.

Damit könnte der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttosozialprodukt annähernd wieder den Stand erreichen, den er 1977 hatte. Eine Finanzierung der stark ansteigenden StudentInnenzahlen wäre damit noch längst nicht erreicht. Die politischen Prioritäten der Bundesregierung liegen offenbar in den Bereichen Rüstung, Straßenbau und Technologie-Forschung.

Der fzs fordert eine Umverteilung zugunsten des Sozial- und Bildungsbereiches.

Gleichzeitig müssen die hochschulinternen Entscheidungsprozesse über die Mittelverwendung demokratisiert werden, damit das Geld wirklich für eine Verbesserung der Lehre im Sinne der StudentInnen eingesetzt wird. Demokratische und transparente Entscheidungsstrukturen sind die Voraussetzung für einen sinnvollen Mitteleinsatz in den Hochschulen.

4. Hochschulzugang für alle gewährleisten!

Wir fordern freien Hochschulzugang für alle! Das heißt im konkreten Fall: Keine zusätzlichen Eignungsprüfungen durch die Hochschulen oder bundesweit. Vielmehr müssen die Hochschulen auch für Menschen ohne Abitur, aber mit anderen Qualifikation, z.B. Meister, stärker geöffnet werden. Die Ausgrenzung ausländischer StudentInnen ist untragbar. Der Hochschulzugang muß allen Menschen, unabhängig von ihrem Paß, gewährt werden. Dies gilt insbesondere für StudentInnen aus dem außereuropäischen Ausland.

Die Bundesregierung führt mit dem neuen HRG eine Auswahl durch die Universität von zunächst 20% der StudentInnen ein. Eine Erweiterung dieses Anteils ist zu erwarten. In eine ähnliche Kerbe schlagen die CDU/CSU-regierten Länder, die Hochschulrektorenkonferenz sowie die ArbeitgeberInnen. Während sich die HochschulrektorInnen eher eine Anhebung des Niveaus in ihren Hochschulen durch gezielte Selektion motivierterer StudentInnen erhoffen, geht es der Regierung und vor allem der Wirtschaft darum, über die Zulassung von StudentInnen den Output zu steuern. Da in der Bildungsforschung allgemein bekannt ist, daß irgendwelche Auswahl- und Prüfungskriterien keinen Schluß auf den Studienverlauf zulassen, kann das Ziel dieser Bestrebungen nur sein, den Leistungs- und Konkurrenzkampf unter den StudentInnen zu verschärfen. Die Lehre an den Hochschulen soll somit zu einem Ausbildungslager für Arbeitseliten nach den neudefinierten neoliberalen Wirtschaftsinteressen fitgemacht werden.

Bei den angestrebten Auswahlverfahren ist nicht gesichert, ob bei der Auswahl auf einen angemessenen Frauenanteil geachtet werden wird. Da in diesen Auswahlkommissionen vermutlich mehrheitlich Professoren sitzen werden, ist leider die Diskriminierung von Studienbewerberinnen vorprogrammiert. Die SPD macht mit und beschwichtigt, weil 20 % ja nicht viel sei.

Wir fordern eine freie Bildungsgesellschaft für alle. Wenn in Zukunft die Bedeutung der Arbeit als Faktor, über den Teilhabe in unserer Gesellschaft vermittelt wird, sowohl finanziell als auch zeitlich weiter abnimmt, gilt es andere Möglichkeiten der Existenzsicherung und der Teilhabevermittlung zu entwickeln. Dabei kommt der Bildung eine Schlüsselrolle zu. Der freie Zugang zu Bildungsmöglichkeiten ist ein fundamentales Grundrecht und darf nicht durch profitorientierte, kurzfristige Wirtschaftsinteressen demontiert werden.

5. Studienfinanzierung sicherstellen!

Der fzs fordert eine elternunabhängige, bedarfsgerechte Studienfinanzierung als Vollzuschuß. Dieser Zuschuß soll auch ausländischen StudentInnen zur Verfügung stehen. Des weiteren fordern wir eine Gleichstellung der ausländischen StudentInnen in allen Bereichen, d.h. auch Aufhebung des Arbeitsverbotes. Das Ziel dieser Finanzierung muß Chancengleichheit sein, soziale Ungerechtigkeiten müssen ausgeglichen werden, akademische und nicht-akademische Bildung und Ausbildung müssen als gleichwertig akzeptiert und gefördert werden.

Bei der Studienfinanzierung sehen Rüttgers und die Bundesregierung ein reines Darlehensmodell vor, d.h., jede erhaltene Mark muß, eventuell sogar mit Zinsen, zurückbezahlt werden. Dies ist im Endeffekt ein sozialer NC, da damit jemand, die/der BAföG benötigt, am Ende ihres/seines Studiums vor einem gigantischen Schuldenberg steht. Dieses Risiko werden Kinder aus sozial schwachen Familien nicht ohne weiteres auf sich nehmen, zumal dort sowieso die psychische Unterstützung, ein Studium aufzunehmen, geringer ist. Dies kommt auch den LänderfinanzministerInnen entgegen, die, egal wie, die Ausgaben für das BAföG halbieren wollen.

Das Studentenwerk und die SPD favorisieren ein sogenanntes Drei-Körbe-Modell. Dies besteht aus einer Grundförderung (Sockel). Dieser wird leistungsabhängig an jedeN StudentIn ausgezahlt, dafür werden Kindergeld und Kinderfreibeträge gestrichen. Aus einem zweiten Korb, der Bedarfsförderung, wird abhängig vom Einkommen der Eltern weiter unterstützt. Ein dritter Korb steht zur Studienabschlußförderung zur Verfügung, aus dem verzinsliche Darlehen vergeben werden. Dieses Modell ist zwar besser als das aktuelle, ist aber wegen der geforderten Kostenneutralität, der Leistungsabhängigkeit, der Möglichkeit eines verzinsten Darlehens und der eingeschränkten Förderungsdauer immer noch unzureichend.

Das Modell des BAFF von den Grünen sieht auf den ersten Blick schon besser aus: JedeR hat ein Anrecht auf eine bedarfsgerechte Förderung. Dafür muß je nach Höhe der Förderung ein bestimmter Prozentsatz des Einkommens im Berufsleben später abgegeben werden. Der Nachteil ist: Wer schon als StudentIn Geld, z.B. reiche Eltern, hat, braucht die Förderung nicht in Anspruch zu nehmen, muß also später auch nichts zurückzahlen. Er/Sie verdient also im Endeffekt mehr als jemand, der/die aus einer ärmeren Familie kommt. Außerdem wird die Studienfinanzierung nicht mehr als gesellschaftliche Aufgabe gesehen, sondern wird durch diese „AkademikerInnensteuer“ auf eine Gruppe der Gesellschaft beschränkt.

Wir fordern eine elternunabhängige Förderung, die an die aktuellen Lebenshaltungskosten angepaßt ist und als Vollzuschuß gewährt wird. Wichtig ist hier auch eine Flexibilisierung der Zahlungsmodalitäten, um Menschen, die nicht einer Normbiographie entsprechen, die Förderung zu ermöglichen. Besonders wichtig sind diese Punkte für Frauen, da ihre Ausbildung gesellschaftlich als weniger wichtig angesehen wird und sie zudem noch das „Risiko“ einer Schwangerschaft tragen. Daher kann die Lösung nicht kostenneutral sein, denn die Kosten sind seit Einführung des BAföG gestiegen, die Ausgaben des Staates aber gesunken! Die Ausbildungsförderung muß als klares Ziel die Chancengleichheit aller Menschen haben, sowohl in der akademischen als auch in der nicht-akademischen Bildung und Ausbildung. Sie darf nicht von Sparzwängen gelenkt sein, denn sowohl die Menschlichkeit als auch die Zukunft unserer Gesellschaft stehen hier auf dem Spiel.

Als weitestgehende Forderung verlangt der fzs eine soziale Grundsicherung für alle Menschen unabhängig von ihrer Lebenssituation.

6. Studienreform vorantreiben!

Der fzs fordert eine echte Studienreform, die sich an den Bedürfnissen der StudentInnen orientiert und Bedingungen für ein selbstbestimmtes und freies Studium schafft.

Die CDU und auch die ArbeitgeberInnen sehen stattdessen das vermeintliche Allheilmittel für die Studienreform in der Beschleunigung des Studiums. Die Regelstudienzeit soll auf eine reell nicht studierbare Semesterzahl festgelegt werden. Alle StudentInnen sollen durch Reglementierungen und repressive Maßnahmen dazu gebracht werden, das Studium möglichst schnell zu beenden, um dem Arbeitsmarkt so früh wie möglich zur Verfügung zu stehen. Sowohl Zwangsberatungen und Zwangsexmatrikulationen als auch finanzieller Druck durch Studiengebühren für sogenannte LangzeitstudentInnen (wie bereits in Baden-Württemberg eingeführt) sind zur Disziplinierung vorgesehen.

Weiterhin sieht das HRG eine Zweiteilung des Studiums vor. Die überwiegende Mehrheit der StudentInnen (nach Rüttgers zwei Drittel) soll nach dem „berufsqualifizierenden“ Bachelor die Hochschule verlassen, wohingegen die Wissenschaftsorientierung einer kleinen Elite vorbehalten sein soll. Die Hochschulen werden also nach dem Willen der CDU in Kosten/Nutzen-optimierte Wirtschaftsunternehmen umgewandelt.

Durch diese sogenannte „Studienreform“ werden lediglich oberflächliche Strukturen dahingehend geändert, den StudentInnen den Schwarzen Peter für die Misere an den Hochschulen zuzuschieben. Von oben diktierte und bürokratisch festgesetzte Regelstudienzeiten oder Zwangsmaßnahmen lösen das Problem einer verkrusteten Studienstruktur nicht. Außerdem widerspricht es dem Grundsatz der freien Bildung für alle, eine kleine Wissenschaftselite heranzuzüchten und so den unerwünschten Rest durch einen zusätzlichen Abschluß auf elegante Art und Weise aus der Hochschule zu befördern. Selbst die SPD schießt sich auf das Prinzip Wettbewerb und Leistung ein, wenn auch in abgemildeter Version.

Der fzs lehnt das HRG als technokratisches Blendwerk ab und setzt dem die Forderung nach einer kritischen, solidarischen, ökologischen und feministischen Studienreform entgegen. StudentInnen sollen sich in einem Projektstudium selbstbestimmt und aktiv ihre Problemstellungen suchen, autonome Seminare und Projekttutorien gestalten und gleichberechtigt zusammen mit DozentInnen forschen und arbeiten. Die Frauenforschung muß ausgebaut werden, feministische Lehrinhalte müssen einen festen Platz in jedem Studiengang erhalten. Die Bedingungen für behinderte StudentInnen sind wesentlich zu verbessern, z.B. die Zugänglichkeit der Gebäude und eine bessere Ausstattung an behindertengerechten Lehr- und Lernmitteln. Es sollen interdisziplinär denkende, kritische und problemorientiert handelnde Menschen aus unseren Hochschulen hervorgehen. Wir verstehen die Bildung der Zukunft nicht im Sinne von lebenslangem Fitnesstraining für den deregulierten Arbeitsmarkt. Vielmehr halten wir die Modernisierung des Studiensystems in eine emanzipatorische, selbstbestimmte Richtung für unabdingbar.

7. Studienabschlüsse nicht zur Selektion verwenden !

Der fzs fordert die problemlose Anerkennung von Studienleistungen und Abschlüssen bei Fach- und Hochschulwechseln in Deutschland und auf internationaler Ebene.

ArbeitgeberInnen, CDU und HochschulrektorInnen versuchen im Rahmen der HRG-Novelle den Bachelor (BA) einzuführen, um damit einen „billigen“ Abschluß für das „akademische Fußvolk“ zu etablieren. Mit diesem System soll eine Selektionsmöglichkeit für das „wirklich“ wissenschaftliche Hauptstudium geschaffen werden. Sollte der BA als berufsqualifizierender Abschluß anerkannt werden, entfällt für das weitere Studium die Finanzierungsmöglichkeiten durch BAföG und Eltern. Die SPD ist insgesamt damit einverstanden und versucht, die StudentInnen und die Öffentlichkeit in Bezug auf die oben genannten Nachteile zu beschwichtigen und im Unklaren zu lassen.

Die Idee, Studiengänge international kompatibler zu machen, ist generell begrüßenswert. Der BA kann aber ebensowenig wie ein Vordipolom ein berufsqualifizierender Abschluß sein. Mit dem BA wird ein pseudowissenschaftlicher Abschluß eingeführt, der rein nach wirtschaftlichen Verwertungsinteressen ausgerichtet ist.

Insbesondere Frauen sollen durch einen solchen Kurzstudiengang eher dazu angehalten werden, ihr Studium früher zu beenden, um sich der „Nachwuchsproduktion“ zu widmen. Dies fördert die Diskriminierung von Frauen im Berufsleben. Bildung dient der persönlichen Entfaltung und Emanzipation der Menschen. Der BA ist damit unvereinbar. Wir wehren uns gegen jede Unterteilung des Studiums durch Selektionsmaßnahmen.

8. StudentInnen politisch vertreten!

Der fzs fordert eine Verfaßte StudentInnenschaft mit Pflichtmitgliedschaft, einer echten Satzungshoheit ohne Einschränkung auf bestimmte Demokratiemodelle, Finanzhoheit sowie einem politischen Mandat.

Im neuen HRG-Entwurf der Bundesregierung ist wieder nur eine „Kann“-Bestimmung zu finden. Es bleibt dadurch den Länder überlassen, in welcher Form und wie stark sie die StudentInnenvertretung gängeln wollen.

Gegen eine VS sind die CSU/CDU in Bayern und Baden-Württemberg. Dort ist schon lange die Verfaßte StudentInnenschaft durch ein staatlich reglementiertes Modell abgelöst, durch welches die Mitsprache der StudentInnen minimiert und jegliche Aktionen kontrollierbar werden. Durch die Genehmigungspflicht jeder einzelnen Aktion durch die Hochschulleitung ist die StudentInnenschaft beliebig steuerbar. Die SPD unterstützt die Forderung nach der VS, relativiert sie jedoch, wenn es um ihre Macht geht.

Eine studentische Vertretung muß das Recht haben, sich zu allen politischen Themen äußern zu können. Eine Kontrolle und Reglementierung durch übergeordnete Stellen wird als äußerst undemokratisch abgelehnt. Die StudentInnen als relevante gesellschaftliche Gruppe haben eine politische Meinung. Es muß gewährt werden, diese Meinung auch zu vertreten. Aus diesen genannten Gründen spricht sich der fzs in aller Deutlichkeit für eine Verfaßte StudentInnenschaft mit politischem Mandat aus. Damit StudentInnen aus allen Gesellschaftsschichten diese Vertretung wahrnehmen können, muß gewährleistet sein, daß sie für ihre Arbeit vom Studium freigestellt werden und die Ausbildungsförderungszeit entsprechend verlängert wird, so daß niemandem durch ihre/seine Arbeit ein Nachteil entsteht.

Beschlossen auf der 8. MV in Wilhelmshaven, November 1997